Test / E-MTB: Mit dem Yeti MTe präsentiert der Kulthersteller aus den USA sein erst zweites E-Mountainbike in der Firmengeschichte. Als Geländeallrounder mit neuem TQ HPR 60 Antrieb und einem Gewicht ab ca. 17,5 kg will es die Grenzen zwischen regulärem Mountainbike und E-Mountainbike verwischen. Ob das gelingt?
Die Yeti-DNA: Sportlich, Innovativ, Exklusiv – Ein Bike für Kenner
Yeti Cycles – ein Name, der bei Mountainbike-Enthusiasten seit jeher für innovative und performanceorientierte Bikes steht. Die Marke hat sich einen Ruf für hochwertige, oft sehr teure und edle Räder erarbeitet, die nicht selten neue Wege beschreiten, insbesondere bei Hinterbausystemen. Dutzende Erfolge der Profi-Teams durch alle Disziplinen hindurch, unterstreichen den sportlichen Anspruch. Dieses performanceorientierte Selbstverständnis prägt auch das neue MTe. Es ist klar kein Rad für die breite Masse, sondern zielt auf Fahrer ab, die das Besondere suchen und bereit sind, dafür auch tiefer in die Tasche zu greifen.
Das Yeti MTE: Ein Allrounder ohne Schublade? Die Eckdaten
Interessanterweise macht Yeti selbst beim MTE keinerlei Schubladen auf. Mit 160 mm Federweg an der Front und 145 mm am Heck bewegt es sich irgendwo zwischen Trailbike und Enduro. Ehrlich gesagt, egal. Die genaue Einordnung hängt dabei auch ein bisschen von der gewählten Ausstattungsvariante ab. Ab Werk rollt das MTe auf 29-Zoll-Laufrädern vorne und hinten. Doch aufgepasst: Dank eines Flip-Chips lässt sich das Rad problemlos auf ein Mullet-Setup mit kleinerem Hinterrad umbauen, ohne dass dabei die Geometrie verändert wird oder man Abstriche in Kauf nehmen muss.
Der Rahmen, und das ist bei einem Edel-Hersteller wie Yeti wenig überraschend, besteht sowohl im Hauptrahmen als auch im Hinterbau komplett aus Carbon. Beim Gewicht zeigt sich das Topmodell in Rahmengröße L mit 17,7 Kilogramm erfreulich leicht – wohlgemerkt mit dem kleineren 290-Wattstunden-Akku.
Antrieb: Der neue TQ-HPR60 – Mehr als nur eine Randnotiz
Im Herzen des Yeti MTe schlägt der neue TQ-HPR 60 Motor. Dieser Light-Motor ist eine Weiterentwicklung des bekannten HPR 50 und wurde in vielerlei Hinsicht verbessert, ohne seine grundlegende DNA zu verändern. Er liefert ein maximales Drehmoment von 60 Newtonmetern und eine maximale Leistung von 350 Watt – das sind immerhin 10 Nm und 50 Watt mehr als beim Vorgänger.
Viel wichtiger als die nackten Zahlen ist jedoch das Fahrgefühl. Und hier spielt der TQ seine Stärken aus: Er ist bekannt für seine extrem leise Arbeitsweise – in den meisten Situationen ist er schlicht nicht wahrnehmbar. Die Unterstützung setzt wunderbar subtil und natürlich ein. So fühlt sich das MTe eher an, als hätte man einen verdammt guten Tag auf einem normalen Mountainbike erwischt, nicht wie ein klassisches E-Bike, das einen den Berg hochschiebt. Dieser Unterschied zu vielen anderen Light-Assist-Motoren und erst recht zu den Full-Power-Kollegen ist frappierend. Auch die thermische Stabilität wurde laut TQ verbessert; der Motor soll später drosseln. Im Test zeigte er sich nach knapp 800 Höhenmetern am Stück gerade mal handwarm.
Akku-System: Flexibel und erstaunlich durchdacht
Je nach Modellvariante des Yeti MTe kommen unterschiedliche Akkugrößen zum Einsatz. Unser Testmodell, das Topmodell T4, ist mit einem leichten 290-Wattstunden-Akku ausgestattet, der unter 1.500 Gramm wiegt. Die beiden anderen Modelle, C2 und C3, haben einen größeren 580-Wattstunden-Akku an Bord, der für deutlich mehr Reichweite sorgt. Alle Modelle lassen sich optional mit einem Range Extender bestücken, der weitere 160 Wattstunden Kapazität liefert und mit unter einem Kilo superkompakt ausfällt.
Der Akku ist, so würden wir es nennen, semi-fest im Unterrohr verbaut. Er lässt sich mit drei Schrauben an einer Klappe und zwei weiteren Schrauben am Akku selbst lösen und in rund einer Minute ausbauen – praktisch für das Laden abseits des Bikes oder für den Transport. Die Akkus sind zwischen den Modellen austauschbar.
Besonders pfiffig ist das Management des Range Extenders. Steckt man ihn während der Fahrt an, entlädt das System zuerst den Range Extender, der interne Akku wird nicht angetastet. Das neue Farbdisplay im Oberrohr zeigt dabei beide Akkuladestände getrennt an. Beim Laden über den Ladeport am Range Extender (der interne Ladeport ist dann ja belegt) wird wiederum zuerst der interne Akku und dann erst der Range Extender geladen. Das ist extrem nutzerfreundlich und alltagstauglich. Für die Befestigung des Range Extenders gibt es eine praktische Fidlock-Option, die bombenfest hält, im Test aber leider ein wenig geklappert hat.
Und die Reichhöhe? In unserem Test schafften wir bei einem Fahrergewicht von rund 84 kg mit dem 290-Wh-Akku bei mittlerer Unterstützung (ca. 200 Watt Motorleistung und 200 Watt Fahrerleistung ) ziemlich genau 1000 Höhenmeter. Mit dem 580-Wh-Akku wären unter diesen Bedingungen also rund 2000 Höhenmeter drin.
Rahmendetails: Ein Kunstwerk mit Nehmerqualitäten
Der Carbonrahmen des Yeti MTe ist nicht nur leicht, sondern auch eine Augenweide und ein Meisterstück der Verarbeitungsqualität. Die Lackierung und die Detailverliebtheit suchen ihresgleichen. Jede Kante, jeder Lagersitz ist blitzsauber lackiert. Selbst Kleinigkeiten wie schwarz lackierte Gewindeösen für Flaschenhalter oder ein kleiner Print auf der Innenseite der Serviceklappe zeugen vom hohen Anspruch. Natürlich ist das Bike auch im Yeti-typischen Türkis zu haben.
Ein Herzstück ist der sogenannte Sixfinity-Hinterbau, der durch eine zusätzliche Strebe schon allein optisch auffällt. Dieses System weist einen für E-MTBs recht hohen Anti-Squat-Wert auf, was in Kombination mit dem zurückhaltenden TQ-Motor für eine tolle Tritteffizienz sorgt – auch wenn man mal mit wenig oder ganz ohne Motorleistung unterwegs ist. Richtig spannend: Ein Flip-Chip an der Dämpferaufnahme erlaubt es, die Progression des Hinterbaus spürbar zwischen 12 und 25 Prozent zu verstellen. Das ist nicht nur ein Marketing-Gag, sondern macht einen deutlichen Unterschied und erlaubt es, den Charakter des Bikes anzupassen: von poppig und verspielt bis satter für ruppiges Geballer.
Der Rahmenschutz ist an den meisten neuralgischen Punkten gut gelöst, besonders am Hinterbau, wo diverse Protektoren aus Gummi oder Kunststoff Schäden und Klappergeräusche verhindern. Das Unterrohr verfügt über eine spezielle Vectran-Schicht (ähnlich wie Kevlar) zwischen den Carbonlagen, die es besonders robust gegen Steinschläge macht. Ein zusätzlicher äußerer Lackschutzaufkleber am Unterrohr wäre trotzdem das i-Tüpfelchen gewesen.
Daumen hoch für die Leitungs- und Zugverlegung! Diese erfolgt vorbildlich durch den Steuerrohrbereich und nicht durch den Steuersatz – ein Segen für jeden Schrauber. Die Kabel sind sauber geklemmt und im Inneren geführt, wobei der Zugang über die Akku-Serviceklappe erleichtert wird. Das Kabel der TQ-Remote verläuft intern durch den schicken Yeti-eigenen Lenker. Das sieht super clean aus, ist aber im Servicefall natürlich etwas fummeliger.
Ausstattungsvarianten und Preise: Exklusivität hat ihren Preis
Yeti schnürt das MTe-Paket in drei Grundvarianten: C2, T3 und das von uns getestete T4-Modell. Die Preise bewegen sich dabei, Yeti-typisch, im obersten Regal. Das Einstiegsmodell C2 startet bei 9.700 Euro, während unser Testbike, das T4, mit knackigen 13.900 Euro ein beachtliches Loch ins Portemonnaie reißt.
C2 (9.700 Euro): Kommt mit mechanischer SRAM Eagle 90 Transmission, Fox Performance Fahrwerk, DT Swiss E1900 Laufrädern und SRAM Maven Bronze Bremsen. Dieses Modell ist mit dem größeren 580-Wh-Akku ausgestattet und wiegt etwas über 20 Kilo.
T3 (12.500 Euro): Hier gibt es schon eine absolute Top-Ausstattung mit Fox Factory Fahrwerk (36 Grip X2 Gabel), DT Swiss EXC 1700 Carbon-Laufrädern, elektronischer SRAM XO Eagle Transmission und SRAM Maven Silver Bremsen. Das Gewicht liegt hier bei ca. 19,7 Kilo, ebenfalls mit dem großen Akku.
T4 (13.900 Euro): Unser Testbike und das Leichtbau-Modell der Reihe mit dem kleineren 290-Wh-Akku. Es glänzt mit DT Swiss EXC 1501 Carbon-Laufrädern, SRAM XX Eagle Transmission, einer Fox 36 Factory Gabel mit der etwas strafferen Grip X Kartusche und leichteren SRAM Level Ultimate Bremsen.
Rahmen | Yeti MTe Carbon |
Federgabel | Fox 36 Factory GripX |
Antrieb | TQ HPR 60 |
Akku | 290 Wh |
Dämpfer | Fox Float Factory |
Laufräder | DT Swiss EXC 1501 |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF Exo |
Reifen HR | Maxxis Minion DHRII Exo |
Schaltwerk | Sram XX Eagle T-Type |
Schalthebel | Sram AXS Pod |
Kurbel | Sram XX Eagle |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Motive Ultimate |
Bremsscheiben | Sram HS2 200/180 |
Sattelstütze | Sram Reverb AXS |
Sattel | WTB Solano SL Titanium |
Vorbau | Burgtec Enduro MK3 |
Lenker | Yeti Carbon E-Routing |
Alle Modelle kommen mit der schicken SRAM Reverb AXS Vario-Sattelstütze. Die unterschiedlichen Specs der Modelle C2/T3 gegenüber dem T4 zielen auf leicht unterschiedliche Einsatzbereiche ab: C2 und T3 sind tendenziell robuster und auf mehr Reichweite ausgelegt, während das T4 den Fokus klar auf geringes Gewicht und ein agileres Trailbike-Handling legt.
Fahreindrücke: Das Yeti MTE in der Praxis – Mehr Mountainbike als E-Bike?
Wie schon angedeutet: Das Yeti MTe fühlt sich schlicht anders an, als die meisten E-MTBs dort draußen. Man muss definitiv mehr reintreten, ist nicht so schnell wie mit potenten E-MTBs, und technische Uphills werden ab einer gewissen Steigung zur echten Herausforderung für Kraft und Technik. Wer ein E-Bike sucht, um mühelos jeden Gipfel zu stürmen, ist hier falsch.
Stattdessen vermittelt das MTe mit dem TQ-HPR60 dieses einzigartige Gefühl, einen außergewöhnlich guten Tag auf einem unmotorisierten Bike zu haben. Die Unterstützung ist wunderbar dezent, der Motor flüsterleise, und das gesamte Fahrgefühl erinnert frappierend an das pure Mountainbiken. Wir waren meist in der mittleren Unterstützungsstufe unterwegs und haben die Ruhe und das natürliche Fahrgefühl einfach genossen.
Auf dem Trail? Da ist das MTe eine absolute Spaßgranate und benimmt sich eher wie ein agiles Trailbike denn wie ein schwerfälliges Enduro. Das Fahrwerk ist in beiden Progressionseinstellungen eher auf der straffen Seite und bietet massig Pop – perfekt für einen verspielten Fahrstil, der durch das geringe Gewicht zusätzlich beflügelt wird. Die Geometrie (Reach 480 mm, Lenkwinkel 64°, Sitzwinkel 77°, Kettenstreben knapp 450 mm in Größe L ) würden wir als modern und ausgewogen beschreiben.
Die Option, das Rad als Mullet zu fahren und mit den Progressionseinstellungen zu experimentieren, verleiht dem Yeti MTe eine beachtliche Vielseitigkeit und macht es zu einem Bike, mit dem man sich lange beschäftigen kann. Trotz seiner Leichtfüßigkeit hat es erstaunliche Nehmerqualitäten, auch wenn es in richtig derbem Gelände natürlich nicht die Reserven eines reinrassigen Enduros mit mehr Federweg bietet.
Die Ausstattung unseres T4-Testbikes war größtenteils top. Die leichten Maxxis-Reifen mit Exo-Karkasse am Heck sind für den anvisierten Federweg und das Potenzial des Bikes im ruppigen Gelände allerdings, sagen wir mal, grenzwertig. Die SRAM Level Bremsen waren bei rund 84 kg okay und ausreichend stark, boten aber bei längeren Abfahrten nicht mehr viele Reserven. Hier wären potentere Stopper, wie sie an den anderen Modellen verbaut sind, für schwerere Fahrer oder den alpinen Einsatz sicher die bessere Wahl. Ein absolutes Highlight, das man nicht oft genug betonen kann, ist die Geräuschkulisse bergab: Das Yeti MTe ist eines der leisesten Bikes, die wir je gefahren sind – man hört wirklich nichts, außer dem Abrollen der Reifen und leisem Schlürfen der Federgabel.